Rückblick 99. Schweizer Immobiliengespräch

Um «Riskmanagement in schwierigen Zeiten» ging es in der 99. Ausgabe der Reihe Schweizer Immobiliengespräche. Der Titel war gut gewählt, auch wenn der Untertitel ihm die Show zu stehlen drohte. Der lautete nämlich: «Was wir vom Fall Signa lernen können».

Immobilienrisiken Signa
Prof. Dr. Markus Schmidinger (2. v.l.) moderierte die Paneldiskussion des 99. Immobiliengesprächs (Bild: Holger Jacob)

Fest steht, dass die See rauer und das Risikomanagement wichtiger geworden ist. Nicht ganz so sicher ist, was genau vom Fall Signa zu lernen ist – und für wen. Recht weit scheint vielen Akteuren die Welt des illustren Herrn Benko von der eigenen Realität entfernt zu sein. Beim jüngsten Immobiliengespräch im Zürcher «Metropol» klang einige Male aber die beunruhigende Frage an, ob wir nicht alle ein bisschen Benko seien. Was sich auf jeden Fall zeigte: Man ist gut beraten, scheinbare Gewissheiten in regelmässigen Abständen auf den Prüfstand zu stellen.

Es gibt nicht die eine Ursache

Ein Referent, dem die Aufmerksamkeit des Plenums besonders sicher war, war Georg J. Wohl. Dem Partner bei Staiger Rechtsanwälte AG wird nämlich besondere Expertise in der Causa Signa nachgesagt. Bei einem Verfahren in der Schweiz, bei dem es auch um Retail-Immobilien des insolventen Unternehmens geht, vertritt er die Interessen eines Gläubigers. Es versteht sich, dass er nicht aus dem Nähkästchen plaudern durfte, aber auf die Frage von Moderator Markus Schmidinger, was ihn im Zusammenhang mit Signa am meisten überrascht habe, war der Jurist um eine Antwort nicht verlegen. Die Werte der Immobilien seien es gewesen, sagte er. Oder genauer, welche Entwicklung diese Werte in kurzer Zeit nahmen. Da hatte man sich offenbar in vermeintlichen Sicherheiten gewogen, etwa hinsichtlich des Einkaufsverhaltens von superreichen Menschen. Man dachte, bei einer gewissen Klientel werde das Portemonnaie auch dann noch locker sitzen, wenn andere den Gürtel enger schnallen müssen, und man glaubte, dass gewisse Lagen mit gewissen Retailmietern vor negativen Überraschungen gefeit seien. Es ist nie nur eine Ursache alleine, die sich im Nachhinein als der Fehler herausstellt, sagte Wohl. Es sind immer mehrere Ereignisse, die zusammenkommen, und irgendwann kommt dann der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Known Unknowns

Wer keine Risiken eingehen will, sollte nicht Immobilien entwickeln. Projektentwickler können gar nicht anders, als auf Risiken auszugehen, wie Schmidinger trefflich bemerkte. Marco Tondel, Leiter Entwicklung und Chief Sustainability Officer bei der Mobimo Management AG, gebrauchte für die Welt der Projektentwicklung ein schönes Bild: Er verglich das Geschäft mit Karrussell und Achterbahn. Wer eine Immobilie entwickelt, setzt sich unweigerlich Fliehkräften aus. Dabei hat er allerdings die Wahl, ob er sich auf ein gemächlich drehendes Rösslispiel mit fixierten Sitzmöglichkeiten einlässt, oder auf ein etwas dynamischeres Kettenkarussell – oder sogar auf eine Achterbahn. Die Drehung um eine Achse auf dem Karussell hat den Vorteil der Kalkulierbarkeit, was allerdings auch bedeutet, dass der Spass – das heisst die Rendite – begrenzt ist. Auf einer Achterbahn dagegen ist die Richtung der Kräfte, die einen zerren, unvorhersehbar. Wenn die Risiken anfangen, ausserhalb des Wirkungskreises eigener Kompetenzen zu geraten, warnte Tondel, werde die Achterbahn schnell zur Geisterbahn.

Die berüchtigte Glaskugel hat der Entwickler nicht, aber er kann sich fest daran orientieren, was er weiss. Und das heisst auch, – frei nach Donald Rumsfeld – sich Orientierung darüber zu verschaffen, was man alles nicht voraussehen kann. Tondel zählte auf: die Politik, die vielen Einsprachen, die Dauer der Verfahren und die Baupreise. Er betonte die Möglichkeit, die ein so grosses Haus wie seines hat: Risiken durch Diversifikation zu glätten.

Marco Tondel (Bild: Holger Jacob)

Es gibt immer etwas zu tun…

Sein Nachredner, Alfonso Tedeschi setzte in dem Punkt etwas andere Akzente. Der Senior Portfolio Manager Real Estate bei der Helvetia sprach vor allem über Risiken, die sich schlecht bis gar nicht diversifizieren lassen. Das heisst dennoch nicht, dass man als Immobilienakteur in solchen Fällen machtlos wäre. Beim Thema Finanzierung etwa wusste Tedeschi z.B. zu berichten, dass sich neuerdings der Vergleich von Banken lohne: Nicht nur untereinander seien die Angebote inzwischen disparat, auch ein und dasselbe Institut könne im Zeitverlauf sehr unterschiedliche Konditionen anbieten. Beim Thema Bewertungsrisiko, das virulenter wird, riet der Fondsmanager unter anderem dazu, frühzeitig einen Plan B für mögliche Verkäufe zu erarbeiten und sich die Frage zu stellen: welche Immobilien treffen im Markt gerade auf Nachfrage? Beim Thema ESG lautete einer seiner Tipps, auf Greenwashing zu verzichten, Standards hochzuhalten und auf Transparenz zu setzen. Und schliesslich, mit Blick auf das Risiko der Regulierung, das «gekommen ist um zu bleiben», empfahl er, in einer Stadt wie Zürich, bevor dort ein Regime wie in Basel kommt, die Chancen zu Sanierungen zu nutzen.

Alfonso Tedeschi

… und es gibt immer noch etwas zu retten

Entlang der Wertschöpfungskette von Immobilien gibt es also eine Menge Gelegenheiten, den Fliehkräften ein Schnippchen zu schlagen. Und eine weitere gute Nachricht hatte der Abend parat: Selbst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, lässt sich noch einiges retten. So durfte man den Vortrag Wohls verstehen, der eindrücklich die Chancen beim Modell der Nachlassstundung herausstellte – das Schweizer «Chapter 11», das es immerhin schon seit zehn Jahren gibt. Noch fristet das Sanierungsverfahren mit höchstens 150 Anwendungsfällen bei jährlich 15.000 Konkursverfahren ein Schattendasein – aber es gewinnt an Bedeutung. Und mit guten Grund, wie Wohl findet. Die Nachlassstundung gestatte eine «schonende und effiziente» Verwertung für Sicherungsgeber. Gerade mit Blick auf die Immobilie böten sich einige grosse Vorteile: Das Modell gestatte in vielen Fällen rasche Immobilienverkäufe, und wegen der Rechtssicherheit auch höhere Preise. Sie biete vor allem auch viele Vorteile für Vermieter, die eine sehr starke Position in diesem Modell haben und oft mit ihren Immobilien profitieren, wenn das insolvente Unternehmen weitergeführt wird.

Georg J. Wohl (Bild: Holger Jacob)

Auch wenn die eine einfache Antwort auf die Frage gibt, was im Fall Signa schiefgelaufen ist, noch aussteht: Die wichtigere Botschaft ist eine andere. Der Umgang mit Immobilienrisiken ist kein Glücksspiel, sondern harte Arbeit.

(Visited 532 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema