Rückblick 103. Schweizer Immobiliengespräch

Über die hohen Wohnungsmieten spricht man viel und kontrovers. Selten aber wird der Kern der Differenzen deutlich sichtbar wie dieser Tage auf dem Podium der «Schweizer Immobiliengespräche». Die Teilnehmer rangen engagiert und redlich um Verständigung.

Die Panelisten des 103. Immobiliengesprächs (Bild: Holger Jakob)

Beim 103. Immobiliengespräch mit dem Titel «Teure Mieten – verhärtete Fronten» ging es um die Wohnungsknappheit in den Schweizer Grosstädten – ein viel diskutiertes Thema also. Zur Sprache kam aber auch die Situation, in der die Immobilienwirtschaft dabei steckt: Die Privaten stehen als profitgierige Bösewichte da, denen es nicht gelinge, die dringend benötigten Wohnungen bereitzustellen. So umriss Moderator Markus Schmidinger von der Hochschule Luzern die missliche Ausgangslage, und er fragte: Ist die Immobilienbranche das Problem, liegt die Lösung vielleicht in grundsätzlichen Alternativen – etwa den Baugenossenschaften – oder gar in einem Systemwechsel?

Für den Immobilien-Talk erwies es sich als Glücksfall, dass Peter Schmid dabei war. Mit dem Urgestein der baugenossenschaftlichen Szene stellte sich ein Vertreter des anderen Lagers der Diskussion mit der Immobilienwirtschaft – und er tat dies äusserst konstruktiv. Nicht, dass sich auf der Veranstaltung überraschend eine Brücke über alle Gräben hinweg aufgetan hätte. Aber es gelang etwas, was in der nicht immer übersichtlichen Debatte ebenfalls sehr dringend braucht: den Dissens zwischen den Lagern auf den Punkt zu bringen.

Kostentreiber Bodenpreise

Der Weg dorthin begann mit einem Vortrag des HSLU-Professors Christian Kraft. Der schaffte es in wenigen Minuten, die grosse und facettenreiche Thematik zu ordnen und die Optionen zu analysieren. Als der grosse Kostentreiber kristallisierten sich dabei die Bodenpreise heraus. Kraft rechnete vor: In Zürich sind sie so exorbitant gestiegen, dass in der Projektkalkulation die Kostenmieten nicht mehr sehr deutlich unterhalb der Marktmieten zu liegen kommen. Eine andere Kernthese von Krafts Ausführungen: Die Lösung für die Wohnungsknappheit liegt nicht im Mietrecht, sondern in grossflächiger Verdichtung und einer besseren Ausnützung des Baugrundes – in der Schweiz haben bisher 85% aller Wohngebäude nur zwei Obergeschosse oder sogar weniger.

HSLU-Professor Christian Kraft (Bild: Holger Jacob)

«Grosse Gräben»

Nach dem Wissenschaftler kam mit Stefan Dambacher der Vertreter eines Entwicklers zu Wort. Der Head of Development von Allreal zeigte anhand eines konkreten Projekts, dass diejenigen, die Wohnungen bauen sollen, mitunter Betroffene der stark wachsenden Bodenpreise sind. Insgesamt 31 Millionen oder 17.000 Franken den Quadratmeter musste die Allreal vor ein paar Jahren für ein Zürcher Grundstück auf den Tisch legen – und machte damit die Eigentümer reich, die in 20 Jahren durch vier Aufzonungen einen Wertzuwachs von 25 Millionen erzielt hatten. Angesichts der hohen Grundstückspreise haben die Projektentwickler selbst also ein Interesse an maximaler Ausnutzung, aber die wird oft nicht angestrebt. Warum bleiben die Flächenpotenziale liegen? Weil die Bauherren, so Dambacher, einem langwierigen Dialog mit der Politik aus dem Weg gehen und Gestaltungspläne meiden. Er beklagte «grosse Gräben», die Verständigung mit Gemeinderäten sei schwieriger als noch vor Jahren. Überhaupt fehle es auf der Seite der Politik am Verständnis von Basics – wie dieser Markt funktioniere, wie eine Rendite zustandekomme und wie der Boden sich verzinse.

Stefan Dammbacher von der Allreal (Bild: Holger Jacob)

Dissens in der Mehrwert-Frage

Viele der Punkte, die Dambacher ansprach, tauchten im Vortrag von Peter Schmid wieder auf. Durch dessen Genossenschafts-Brille betrachtet, erschienen sie aber in einem völlig andern Licht. Das Thema Bodenpreise etwa genoss zwar auch in Schmids Bestandsaufnahme einen zentralen Stellenwert. Aber während Dambacher betonte, dass Landpreise nur eine Funktion seien aus hoher Nachfrage und viel zu tiefem Angebot, sah Schmid den Kern des Übels im Prozess der Schaffung von Grundstücks-Mehrwert selbst – und seiner Abschöpfung. Schmid stellte in Frage, dass der Boden-Mehrwert, der zum Beispiel durch Aufzonung geschaffen wird, in der Natur der Sache liegt. Bei ihm klang es so, als handele es sich lediglich um eine Konvention, eine Sache von Buchhaltungsstandards und Bewertungsmethoden – siehe DCF – deren man sich mit einem Federstrich entledigen könnte.

Peter Schmid, der Vizepräsident der Organisation Wohnbaugenossenschaften Schweiz (Bild: Holger Jacob)

Eine Frage der Ideologie?

Schmid schien nicht ganz abgeneigt, die grosse Systemfrage zu stellen und sagte in der anschliessenden Podiumsdiskussion: Das System sei es schliesslich, das uns in diese Lage auf dem Wohnungsmarkt gebracht habe. Seinen Haupt-Widersacher fand Schmid in Dambacher, der entgegnete: es sei empirisch erwiesen, dass die Zuwanderung für die hohen Preise verantwortlich sei. Das genossenschaftliche Modell, das günstige Mieten mitunter durch jahrzehntelang unveränderte Grundstücks-Buchwerte ermöglicht, «eine volkswirtschaftche Insel», und er beteuerte: «Mehrwert gibt es». Die Wertänderungsrendite wird im genossenschaftlichen Modell nicht etwa abgeschafft, sondern umverteilt, wie Christian Kraft später ergänzte. Profiteur sei hier der Mieter, der zu einem günstigen Preis an einem begehrten Standort wohnen kann. Und nicht zu vergessen: Auch in diesem Modell gibt es einen Eigentümer, den Genossenschafter, und von diesem liesse sich sagen, dass ihm der Wertgewinn vorenthalten wird.

Branche muss sich um ihr Image kümmern

Der grosse Elefant im Raum – die Frage nach dem Systemwechsel, die Abschaffung des Privateigentums von Grund und Boden, wurde am Ende auch diskutiert. Eine der klügsten Interventionen des Abends kam dazu von Christian Kraft, der fand, auch grundsätzliche Forderungen wie die nach der Vergemeinschaftung von Grund und Boden oder der Abschaffung der gegenwärtigen Bewertungsstandards seien legitim, aber es gäbe keine Garantie, dass sie dann auch zum erwünschten Ziel führten. Was dagegen gewiss sei: «Ein langes Tal der Tränen, durch das wir alle erstmal gehen werden» – ähnlich wie bei den Zöllen Trumps, die, wie sich gerade zeigt, zunächst einmal den Markt kräftig durcheinanderschütteln. Lösungsansätze, die für sich in Anspruch nehmen wollten, nicht ideologisch, sondern pragmatisch vorzugehen, müssten auf Grundlage des bestehenden Systems erfolgen. «Und wir leben nun einmal in der Schweiz, wo es Eigentumsrecht gibt.»

Die Diskussion war nicht nur leidenschaftlich, sondern aber auch redlich, und der Eindruck, dass über die Lager hinweg überhaupt keine Verständigungsmöglichkeit gäbe, stellte sich nicht ein. Auch in der Privatwirtschaft gilt nicht jeder Profit als sakrosankt – Dambacher etwa schlug vor, man solle Wege finden, wie ein vertretbarer Teil der Spekulationsgewinne, die bei Landverkauf realisiert werden, abgeschöpft und den Mietern zugute kommen könnte.

Schmid hingegen zeigte an vielen Stellen nicht nur Verständnis für die Anliegen der Privatwirtschaft, sondern teilte sie sogar. «Uns Genossenschaften plagen die gleichen Sorgen», sagte er angesichts der vielen Hindernisse, die von gewinnorientierten Entwicklern beklagt werden – Einsprachen, langwierige Prozesse, zunehmende Regulierungsdichte durch ESG und nun auch den Ortsbildschutz Isos. Er sehe einen gemeinsamen Nenner, sagte Schmid. Dieser äusserte sich auch darin, dass er die Folgen der Zürcher Wohnschutzinitiatven langfristig als negativ einschätzt und womit er nicht für das genossenschaftliche Lager insgesamt spricht.

Und aus der Immobilienbranche waren durchaus selbstkritische Töne zu hören: Zu Lobby-lastig habe man die Interessenvertretung zuletzt betrieben und nicht immer klug kommuniziert. Angesichts der negativen Grundstimmung in der Gesellschaft beendete Moderator Markus Schmidinger den Abend mit dem Aufruf: Es sei Zeit, dass die Branche sich aufs Neue engagiert und an ihrem Image arbeitet.

Markus Schmidinger von der HSLU moderierte die Veranstaltung (Bild: Holger Jacob)
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