Rückblick 72. Schweizer Immobiliengespräch: «Late-Cycle-Investments in Deutschland?»
Wo liegen aktuell Opportunitäten im Immobilienmarkt Deutschlands? - Diese und weitere Fragen beantworteten am 72. Schweizer Immobiliengespräch im Zürcher Restaurant Metropol drei hochkarätige Experten und ausgewiesene Marktkenner.
Die Ausgangslage scheint eindeutig: Das Interesse an deutschen Immobilien ist weiterhin sehr gross und in vielen Städten sind in den vergangenen Jahren die Preise in die Höhe geschnellt. Referent Joachim Schütz von der Swiss Finance & Property AG sieht diese Entwicklungen jedoch nicht als Argument gegen weitere Investments im grossen Nachbarkanton der Schweiz. Er stellte zugleich die Bezeichnung «Late Cycle» für den Status quo im deutschen Immobilienmarkt in Frage. «Blickt man auf die realen Immobilienpreise in Deutschland, so zeigt sich, dass wir es mit einem immer noch niedrigen Preisniveau zu tun haben verglichen mit den vergangenen 50 Jahren», so Schütz. Die Rolle des «safe haven» von Deutschland innerhalb Europas sei weiterhin intakt, vor allem wenn man die vergleichsweise niedrige Verschuldungsquote von privaten Haushalten, Unternehmen und Staat zusammen betrachte. Statt eines «Late Cycles» oder einer allfälligen Rezession sieht er vielmehr einen «Roll-Over» hin zu einem weiteren konjunkturellen Aufschwung in Deutschland. Europa sei mit Blick auf eine Zinswende «etwa drei bis vier Jahre hinter den USA hinterher», so Schütz zu einem weiteren wichtigen marktbestimmenden Faktor. Wichtig zu beachten sei darüber hinaus, dass in Deutschland derzeit ein Wechsel von einer exportorientierten hin zu einer mehr innenorientierten Konjunktur vollzogen werde.
Mehr Projektentwicklungen
Lahcen Knapp, CEO der Empira AG mit Sitz in Zug, stimmte Schütz «zu 200 Prozent» zu und verwarf gleichfalls die Annahme, dass es sich um einen sich dem Ende zuneigenden Immobilienzyklus handele. «In Deutschland hat sich ein Aufholpotenzial gezeigt, das in den vergangenen Jahren vor allem in den A- und B-Städten genutzt wurde.» Dazu beigetragen habe beispielsweise auch der verhältnismässig geringe Urbanisierungsgrad in Deutschland. Während dort nur etwa 75 Prozent der Menschen in grösseren Städten lebten, liege diese Quote beispielsweise in Belgien bei inzwischen gut 97 Prozent. Die Entwicklung zeige vor allem eine «Umverteilung im deutschen Immobilienmarkt vom Land zur Stadt».
Mezzanine- statt Bank-Kredit
Gestützt durch ein nahezu lineares BIP-Wachstum seit 2008 steige auch das Projektentwicklungsvolumen aufgrund des grossen Bedarfs in den Städten weiter. Hiervon profitiere auch Empira als Geber von Mezzanine-Kapital, einer noch jungen Finanzierungsform in Deutschland, wo das ausgereichte Kapital 2017 nach offiziellen Daten rund 2,6 Milliarden Euro betrug. Knapp nimmt jedoch aufgrund des eher noch intransparenten Charakters an, dass die Summe «sicherlich noch höher» lag. Ennet der Grenze gebe es einschliesslich seiner eigenen Unternehmen zur Zeit etwa sieben bis zehn relevante Marktteilnehmer. «Wir schliessen mit Mezzanine-Finanzierungen die Lücke zwischen Eigen- und Fremdkapital, die sich durch die Massnahmen zur Bankenregulierung via Basel III und IV auftut», erläuterte Knapp. Angesichts der an die Kreditausreichung gekoppelten höheren Eigenkapitalanforderungen schauteni Banken zunehmend auf die Kennziffer ROS (Return on Solvency) statt auf IRR (Internal Rate of Return). Ein weiterer Vorteil für Kapitalsuchende aus der Immobilienwirtschaft: Die Vergabe von Mezzanine-Kapital lasse sich im günstigsten Fall innert vier Wochen bewerkstelligen – bei Banken dauere die Prüfung von Kreditanträgen in der Regel sehr viel länger.
Auch Martin Eberhardt von Corpus Sireo Real Estate bestätigte in seinem Vortrag die anhaltend gute Konjunktur in Deutschland, die nach einem Plus von 2,5 Prozent 2017 im laufendne Jahr gemäss Swiss Life Economic Reserach ein BIP-Wachstum von 1,9 Prozent und 2019 erneut ein Mehr in Höhe von 1,2 Prozent verspreche. «Deutschland verfügt über unglaublich starke Büromärkte», so Eberhardt. Dies betreffe die Hauptstadt Berlin mit einem Leerstand aktuell von unter zwei Prozent. Ähnliches gebe es aus München zu berichten und selbst die Mainmetropole Frankfurt habe nach vielen Jahren mit einer zweistelligen Büroleerstandsziffer die 10-Prozent-Marke wieder deutlich unterschritten.
Core-Satellite-Strategie
Ferner gebe es in den Städten «eine grosse Nachfrage nach Wohnimmobilien, aber kaum noch Baukapazitäten», sagte Eberhardt. Es habe zwar in Deutschland als Ganzes betrachtet ausreichend Wohnraum, «aber nicht am richtigen Platz». Experten hätten bereits vor ein paar Jahren von einem reifen Marktzyklus gesprochen, doch diese Stimmen seien eines besseren belehrt worden. Generell rate er bei einem Markt mit spätem Zyklus zu einer ähnlichen Strategie wie im Niedrigzinsumfeld. Gut fährt man hier seiner Meinung nach mit einer «Core-Satellite-Strategie», in der man die Grundrendite mit Core-Immobilien erwirtschafte und kleinere Investments am Rande in «Satelliten-Investments» stecke, die höhere Risiken beinhalteten bzw. Nischenprodukte («junge Asset-Klassen») wie Logistikimmobilien, Studentenwohnungen, Health-Care-Objekte oder auch Parkhäuser darstellten.
Die von Moderator Prof. Dr. John Davidson von der Hochschule Luzern im Anschluss geführte Diskussion mit den drei Marktkennern brachte weitere Tipps und Hinweise auf die derzeit zu erwartenden Renditen mit Immobilieninvestments in Deutschland. Während Joachim Schütz 2,5 Prozent für Wohnimmobilien und bis zu 4,0 Prozent bei Gewerbeimmobilien für möglich hält («in Nischen wie Logistik ist durchaus auch noch etwas mehr drin»), berichtete Martin Eberhardt von getätigten Investments und dabei erzielten Bruttoanfangsrenditen von 4,9 Prozent in München, 5,9 Prozent in Regensburg oder beispielsweise sogar mehr als 6 Prozent bei einer Retail-Immobilie im bayrischen Lichtenfels. Lahcen Knapp wiederum wusste mit den eigenen Geschäftszahlen die Teilnehmenden am 72. Schweizer Immobiliengespräch zu beeindrucken: Für das vergangene Jahr weist die Empira AG mit ihren «kurzfristigen Brückenfinanzierungen» eine BVI-Rendite (cash-on-cash) von 10,32 Prozent per annum aus.