Rückblick 79. Schweizer Immobiliengespräch: «Digitalisierung in der Stadt- und Immobilienentwicklung»

Am 1. Juli 2020 fand das jüngste Schweizer Immobiliengespräch im Zürcher Restaurant Metropol statt. Christian Kraft von der Hochschule Luzern moderierte den Event mit dem Thema Digitalisierung.

Schweizer Immobiliengespräch 79 im Restaurant Metropol in Zürich
Die Digitalisierung in der Immobilien- und Stadtentwicklung war das Thema des 79. Schweizer Immobiliengespräch im Zürcher Metropol (Bild: MR)

Die Referenten am 79. Schweizer Immobiliengespräch waren die Geomatikerin und Softwareentwicklerin Lisa Stähli von der Firma ArcGIS Urban, Architekt und Bauingenieur Patrick Pick von Drees & Sommer Schweiz sowie Alar Jost, Head of Service Unit BIM/LCDM bei Pom+ und Vorstand der Initiative Bauen Digital Schweiz.

Digitale Siedlungsentwicklung

Stähli präsentierte vor den Veranstaltungsgästen das 2019 öffentlich gestartete browserbasierte Software-Tool ArcGIS Urban, das vor allem Städte und Stadtverwaltungen bei der urbanen Siedlungsentwicklung unterstützen will. Hierbei sind durch die Übersetzung in das Datenmodell digitale Zonenpläne möglich. Dort können Nutzungszonen, Spezialzonen sowie Gebäudetypologien abgebildet werden. Diese wiederum können z.B. in Architektur- und Planungswettbewerben die Grundlage den Vergleich von unterschiedlichen Entwicklungsszenarien bilden – qualitativ wie quantitativ. «Early Adopters» dieser neuen digitalen Technik sind etwa Genf mit dem PAV-Projekt, die US-Stadt Boston und die schwedische Kommune Uppsala.

«Wirklichen Mehrwert schaffen»

Pick zeigte im Anschluss, welche Erfahrungen im Markt bereits mit BIM (Building Information Modeling) gemacht wurden und wohin die weitere Reise gehen könnte. BIM sei ein «Facilitator für viele weitere Dinge», sagte er und hob hervor, dass auf diesem Gebiet hierzulande bereits eine gute Richtlinienkompetenz aufgebaut wurde. Herausfordernd blieben aber weiter die sehr komplex gewordenen Planungs- und Bauprozesse. Wichtig sei es, die digitalen Daten auch hinüber in den Betrieb nehmen zu können und so den «digitalen Zwilling» über den gesamten Immobilienzyklus nutzbar zu machen und damit wirklichen Mehrwert zu schaffen.

Stufenplan für die Schweiz

Jost konstatierte, dass Vieles im Zusammenhang mit BIM eine «Frage des Mindsets» sei. Hier stelle er auch ein «Generationenproblem» fest, Jüngere würden dem Thema viel offener gegenüberstehen. Dies müsse sich in Zukunft auch noch deutlicher in den Studiengängen der Hochschulen niederschlagen, vor allem auch im Hinblick auf interdisziplinäre Ansprüche und Erfordernisse. Mit dem «Stufenplan Schweiz» habe man inzwischen eine valide Roadmap für die digitale Transformation der Bauwirtschaft in vier Stufen vorliegen, sagte Jost. Grösster Hemmschuh sei die «föderale Fragmentierung des Schweizer Baurechts».

«Integrative Systeme sind nötig»

In der anschliessenden Diskussionsrunde unter der Leitung von Moderator Christian Kraft sagte Lisa Stähli, technisch betrachtet sei heute schon sehr viel möglich. Es stelle sich aber die Frage, was davon am Ende auch sinnvoll sei. Die breite Nutzung digitaler Tools werde darüber hinaus zu häufig noch durch hohe Einstiegshürden behindert, etwa durch ein zu kompliziertes Handling. Zudem brauche es integrative Systeme. «Generell wäre es schön, wenn es bei den Gebäudedaten einen Standard gebe, doch dies ist wohl illusorisch.»

Daten, Daten, Daten statt Lage, Lage, Lage

Patrick Pick verwies darauf, dass klar herausgestellt werden müsse, «wo die Benefits von Daten, Daten, Daten liegen». Bei der digitalen Sammlung von Informationen müsse jede Anwendung ganz klar auf ihren realen Nutzen heruntergebrochen werden, so Pick. Sinn machten die digitalen Lösungen vor allem bei grossen Bauprojekten und Stadtentwicklungsvorhaben. Hier sei einer der Vorteile, dass Visualisierungen im Vorfeld helfen würden, Projekte besser zu erklären und auch mehr Verständnis in der Bevölkerung zu wecken.

Basisarbeit bei der Digitalisierung

Für Alar Jost wäre ein Common Data Model durchaus die wünschenswerte Antwort auf die Fragmentierung im Schweizerischen Baurecht. Doch dies sei auf mittlere Sicht wohl kaum realisierbar. Hier sei wohl eher ein Bottom-Up-Ansatz das vielversprechendere Modell: «Gebäudeinformationen sollten automatisiert zusammengeführt werden, um auf dieser Basis dann besser Entscheidungen treffen zu können. Es ist schon viel geholfen, wenn zunächst mal viele Portfoliodaten digitalisiert sind und die Bestandshalter beispielsweise alle vorhandenen Dokumente einscannen lassen.»

Mensch und Maschine – Hand in Hand

Moderator Christian Kraft wies in seinem Schlusswort darauf hin, bei den vielen verschiedenen Systemen und Sammlungen nicht ein «Datenchaos» entstehen zu lassen. Eventuell mache es ja auch Sinn zum Beispiel ein «BIM light»-Konzept für Bestandsgebäude anzupeilen, um der Digitalisierung des Schweizer Gebäudeparks mehr Nachdruck zu verleihen. Einer totalen Automatisierung aller Prozesse im Immobilienlebenszyklusmodell nahm er hingegen den Wind aus den Segeln: «Hier sehe ich in Zukunft vielmehr ein hybrides Mensch-Maschine-Modell», so Kraft.

  • Das 80. Schweizer Immobiliengespräch mit dem Thema «Traditionelle Immobilienanlagen auf dem Prüfstand» findet am 15. September 2020 statt. Anmeldelink zur Veranstaltung hier.
(Visited 128 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema