Rückblick 80. Schweizer Immobiliengespräch: «Traditionelle Immobilienanlagen auf dem Prüfstand»

Am 15. September 2020 fand das 80. Schweizer Immobiliengespräch im Zürcher Restaurant Metropol statt - aufgrund der Corona-Pandemie mit verringerter Teilnehmerzahl. John Davidson von der Hochschule Luzern moderierte den Event zum Thema Immobilienanlagen.

IMMOBILIEN BUSINESS - Bild Schweizer Immobiliengespräch 80 - September 15 2020 - (c) Mathias Rinka
Rund 75 Gäste kamen zum 80. Schweizer Immobiliengespräch am 15. September 2020 ins Zürcher Metropol (Bild: Mathias Rinka)

«Ist es wirklich ein Zyklus ohne Ende?», fragte zu Beginn des 80. Schweizer Immobiliengesprächs im Zürcher Metropol Fredy Hasenmaile. Seine Antwort: «Man kann sich nicht so sicher sein, aber klar ist, die niedrigen Zinsen werden uns noch eine zeitlang begleiten», sagte der Leiter von Swiss Real Estate Economics bei der Credit Suisse AG. Hiervon hänge unter anderem ab, ob es sich lohnt, die eigene Immobilienanlagestrategie nun neu zu justieren. «Weder Finanz- noch Corona-Krise scheinen den Zyklus stoppen zu können», so Hasenmaile weiter. Verschiedene Indizes zeigten weiterhin ein stabiles Preisniveau. Hat Corona also überhaupt keine Spuren hinterlassen?

«Mitnichten! Vor allem in den Anlageklassen Büro und Hotels sehen wir einen massiven Schub», erklärte Hasenmaile. Durch den Lockdown und die andauernde Pandemie würden sich deutliche Änderungen in diesen beiden Märkten zeigen. Beide seien aus einer Phase der Expansion innert kürzester Zeit in eine Abschwungphase katapultiert worden. Zudem müsse man jetzt beim Logiergewerbe zwischen Stadt- und Berghotels unterscheiden. Letztere schlügen sich besser, vor allem weil viele inländische Touristen das weggefallene Geschäft mit den Overseas-Gästen kompensieren konnten. Der Geschäftstourismus hingegen werde wohl Jahre brauchen, um sich vom Covid-19 Rückschlag zu erholen, so Hasenmaile. Unterdessen sieht er bei den Spezialimmobilien, wie etwa Logistik, Datenzentren und teils auch bei Gesundheitsimmobilien sowie Industrieflächen, den zum Jahreswechsel noch expandierenden Markt nun im Übergang in eine Beruhigungsphase.

Auch beim Blick auf die Performance kotierter Schweizer Immobilienanlagen zeige sich ein differenziertes Bild: Während etwa bei den Wohnfonds die Verluste aus der Korrekturphase zwischen Mitte Februar und Mitte März in der Zwischenzeit schon wieder wettgemacht worden seien – und dies beispielsweise auch für den SPI gelte -, so warte man bei den Immobilienaktien, die im Schnitt ein Minus von über 20 Prozent verzeichneten, weiter auf eine beginnende Erholung. Ähnlich sehe es bei den Geschäftsimmobilienfonds aus: Das Minus von fast 20 Prozent konnte in den letzten sechs Monaten gerade einmal zu gut einem Viertel ausgeglichen werden. Und einen weiteren Covid-19-Trend machte er aus: Der Stellenwert der Wohnungen sei gestiegen. Gesucht würden nun verstärkt auch grössere Wohnungen, eventuell mit zusätzlichem Arbeitszimmer und Aussenräumen wie Balkon, Terrasse und Garten(anteil). Zudem würden stärker Standorte in Velo-Distanz zum Arbeitsort präferiert. Auch periphere Wohnlagen würden an Attraktivität gewinnen. Der bis anhin zu erkennende Urbanisierungstrend könnte sich abschwächen, so Hasenmaile. Eine totale Umkehr dieses Trends erwarte er aber nicht.

Es gelte nun, auf wachstumsträchtige Regionen zu fokussieren und Leerstände genau zu analysieren. Zu den Anforderungen gehöre auch Nischen aufzubauen, deren Wachstumsaussichten intakt sind. Bei den Renditeliegenschaften im Residential-Segment habe der Anlagedruck nochmals zugenommen. Hier sollte man verstärkt auf renditestärkere Projektentwicklungen setzen. Bei den Verkaufsliegenschaften werde es vielerorts zu einer Portfoliobereinigung kommen. Für Opportunitätsankäufe sei es jedoch noch zu früh.

«Survival of the fittest» im Retail-Segment erwartet

Roger Hennig von Schroders Real Estate setzt im Anschluss die europäische Brille auf. Der Vergleich vieler nationaler Wirtschaftsräume zeige, dass die Entwicklung zu einer V- oder U-förmigen Erholung bereits einsetze. Bei den BIP-Wachstumsprognosen für die kommenden Jahre (bis 2024) lägen vor allem die skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen und Schweden vorn, aber auch Österreich und das UK, gefolgt von der Schweiz, so Hennig. Jährliche BIP-Wachstumsraten von im Schnitt 1,3 bis 1,5 Prozent würden für diese Regionen vorausgesagt. «Generell zeigt sich aber auch ein robusteres Wachstum in den städtischen Ökonomien», wie etwa Kopenhagen, Stockholm und Oslo, jeweils gegenüber dem landesweiten Trend. Dies gelte auch – aber in deutlich moderaterer Form – für die Schweiz mit ihren Grossstädten Genf und Zürich. Deutliche Outperformer in Deutschland seien etwa Berlin und München, in Italien die Region Mailand und in Spanien die Region Malaga.

Auf den europäischen Büroimmobilienmärkte (ohne das UK) sei ein Anstieg der Leerstandsquote in den Jahren 2020 und 2021 zu erwarten und danach eine Seitwärtsbewegung auf dem Niveau von rund sieben oder acht Prozent. Die Nettoabsorption von Büroflächen werde sich in den Jahren 2022 bis 2024 kontinentaleuropaweit wieder auf knapp ein Prozent vom Bestand hochhangeln. Dieses Jahr werde es erstmals seit elf Jahren wieder eine negative Nettoabsorption auf den Märkten geben, prognostiziert Hennig. Die Homeoffice-Auswirkungen auf die Büroflächennachfrage werde aber vermutlich eher gering ausfallen. «Schlagzeilen, die den Tod des Büros ankünden, sind zu pessimistisch.» Die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig das Büro für den Austausch untereinander ist. Zudem würden die Menschen eine Trennung von Arbeitsplatz und Zuhause bevorzugen. «Das Büro bleibt auch in Zukunft zentraler Punkt für die Kommunikation und Zusammenarbeit der Mitarbeiter», sagte Hennig. Was weiter an Bedeutung gewinne, seien Lage, Erreichbarkeit und Ausstattungsqualität. Generell habe aber die Arbeit von zuhause aus eine deutlich höhere Akzeptanz erfahren.

Im Retailsegment werde das Wachstum weitergehen, jedoch vorrangig beim Online-Handel. Dem mit zehn bis 15 Prozent teils sehr deutlichen Minus im stationären Handel dieses Jahr werde 2021 eine Erholung stattfinden, aber nur mit Wachstumsraten von fünf bis zehn Prozent. In den Folgejahren sei dann wieder mit einem Schrumpfen der Umsätze im niedrigen einstelligen Bereich zu rechnen. Im Gegensatz dazu werde der Online-Handel weiter zulegen und bis 2024 in vielen Ländern Europas einen Anteil von mehr als zehn Prozent (Italien, Portugal und Spanien) bzw. sogar mehr als 20 Prozent erreichen (Schweden, Österreich, Deutschland, Dänemark und Niederlande). Spitzenreiter bei diesem Wert bleibe weiter das UK bleiben, wo im 2024 wohl mehr als ein Viertel aller Einkäufe im Detailhandel online stattfinden werden.

«Die Corona-Krise führt hier zu einer beschleunigten Polarisierung», erklärte Hennig. Vor allem der Non-food-Einzelhandel sei hart getroffen, was sich an der höheren Quote an Mietausfällen bzw. -stundungen zeige. In diesem Teilsegment des Detailhandels würden vor allem Marken im mittleren Preissegment, die bereits vor dem Virus unter finanziellem Druck gestanden hätten – wahrscheinlich sogar trotz staatlicher Hilfen – nicht überleben. Hier erwartet er ein «survival of the fittest». Die Polarisierung werde aber auch die Lagen betreffen (1A- versus sekundäre Lagen) und die Formate (Einkaufszentren versus Fach- und Supermärkte). In der Summe sei mit steigenden Leerständen und weiterem Abwärtsdruck auf die Mieten zu rechnen. Zudem erhalte die Asset-Klasse Logistik dank dem Online-Detailhandel Unterstützung. Zugleich könnten hier aber auch spekulative Neubauentwicklungen den Leerstand kurzfristig ansteigen lassen und die Aussicht auf Mietpreissteigerungen eintrüben. Mittlerweile seien die Anfangsrenditen auch bei Core-Logistik-Produkten in vielen europäischen Städten unter die vier Prozent gerutscht.

Leerstandsabbau bei kommerziellen Flächen wird «harziger»

Axel Schärer stellte in seinem folgenden Referat die aktuelle Strategie der Profond Anlagestiftung vor. Die angestrebte Asset Allokation bezüglich Immobilien beträgt 28 Prozent. Per Datum Ende Juni 2020 betrug dieser Anteil bereits 26,5 Prozent. Gut sieben Zehntel machten hiervon direkte Investments (über die Anlagestiftung) aus, die restlichen knapp 30 Prozent sind in indirekten Immobilienanlagen. Die Profond Pensionskasse verfüge derzeit mit ihren über 50.000 Versicherten über ein zu verwaltendes Kapitalvermögen von mehr als neun Milliarden Franken. Die strategische Anlage-Allokation umfasse neben dem Immobilienteil rund 20 Prozent in Schweizer Aktientiteln, fast 29 Prozent ausländische Aktien sowie 12,6 Prozent in Obligationen (Schweizer Franken und Fremdwährungen) sowie alternative Anlagen zu 3,7 Prozent. Die durchschnittliche Verzinsung der Altersguthaben betrugen zuletzt vier Prozent. Die Profond-Performance erreichte im Schnitt eine Rendite von mehr als fünf Prozent. Nur in den Jahren 2018, 2011, 2002 und 2001 und 1994 fiel diese negativ aus.

Die Anlagestiftung nahm 2016 ihre Arbeit auf und investiert vorrangig in Liegenschaften in der Schweiz sowie in Deutschland und Österreich. Die 168 Wohn-, Geschäfts- und Logistikliegenschaften weisen einen Marktwert von 2,1 Milliarden Franken auf. Die Stiftung ist eine rechtlich selbständige Einheit, die sich in vollständigem Besitz der Profond Vorsorgeeinrichtung befindet. Aufgeteilt sind die Gebäude in den Anlagegruppen Immobilien Schweiz sowie Immobilien Deutschland/Österreich. Während der Marktwert zu rund 1,6 Milliarden aus inländischen Liegenschaften besteht, sind rund 495 Millionen Euro an Immobilienwerten in den beiden anderen deutschsprachigen Ländern zu finden. Das heimische Portfolio besteht zu 51 Prozent aus der Nutzungsklasse Wohnen, 22 Prozent Verkaufsflächen, 17 Prozent Gewerbenutzungen sowie zehn Prozent Büros. Das ausländische Immobilienportfolio hingegen hat mit gesamthaft 60 Prozent ein deutlich grösseres Exposure in den Assetklassen Verkauf und Büro. Dort sind zudem auch 22 Prozent der Liegenschaften im Bereich Logistik zu finden, der Wohnanteil ist vergleichsweise gering.

Schärer präferiert in der Deutsch- und Westschweiz Regionen bzw. Gross- und Mittelzentren oder zugehörige Agglomerationen mit wachsender Bevölkerungszahl. «Im Segment Wohnen bevorzugen wir durchdachte, effiziente Grundrisse und nicht allzu grosse Flächen.» Die Tickets für Investitionen sollten in der Spanne zwischen zehn und 75 Millionen Franken pro Objekt liegen. In Ausnahmefällen könne die untere Grenze auch bei fünf und die obere Grenze bei 100 Millionen liegen. Die durch Covid-19 beeinflusste Investitionsstrategie von Profond sieht einen Fokus auf Wohnliegenschaften und einen deutlich geringeren Retail-Anteil vor, so Schärer. Bei Büroflächen werde der Fokus noch mehr auf die Mikrolagequalität gelegt. «Bei kommerziellen Lagen ist die zentrale und exklusive Lage nun deutlich wichtiger.» Zudem sei die Mieterbonität ein deutlich zentralerer Faktor geworden.

Bis anhin hätten die Leerstände im Profond-Immobilienportfolio in keiner Nutzungsart markant zugenommen, sagte Alex Schärer. Vor allem bei kommerziellen Flächen werde aber der Leerstandsabbau «harziger». Darüber hinaus wurde aufgrund der vorherrschenden Pandemie-Lage der Austausch vor allem mit grossen kommerziellen Mietern stark intensiviert. Der erwartete Corona-bedingte Minderertrag auf Jahresbasis betrage voraussichtlich unter 2,7 Prozent. Hier sei aber noch die Ausgestaltung des Covid-Gesetzes abzuwarten, was die Mietpreisreduktionen angehe. Die prognostizierte Reduktion auf die Cashflow-Rendite aufgrund Corona liege vermutlich unter 20 Basispunkten. Der Effekt auf die Wertänderungsrendite sei unsicher. «Nach jetzigem Stand erwarten wir auf Ende Jahr eine Tendenz zur schwarzen Null», so Schärer.

  • Das kommende 81. Schweizer Immobiliengespräch wird am 3. November 2020 ab 17 Uhr wieder im Restaurant Metropol in Zürich stattfinden. Das Thema dann: «Neues Nutzerverhalten – Neue Immobilienstrategien». Hier finden Sie den Link zur Anmeldung.

 

o Präsentation Fredy Hasenmaile (Credit Suisse)

o Präsentation Roger Hennig (Schroder Real Estate)

o Präsentation Axel Schärer (Profond Anlagestiftung)

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