Rückblick 85. Schweizer Immobiliengespräch
Rund 130 Teilnehmer konnte Moderator Prof. Dr. Christian Kraft, Leiter des Kompetenzzentrums Immobilien am Institut für Finanzdienstleistungen der HSLU Hochschule Luzern, zum 85. Schweizer Immobiliengespräch begrüssen.
„Daten lösen keine Probleme – Menschen lösen Probleme“
Wer noch Zweifel hatte, ob die Digitalisierung in der Schweizer Immobilienwirtschaft „angekommen“ ist, sah sich am vergangenen Mittwoch in Zürich eines Besseren belehrt. Pünktlich zu Beginn des 85. Schweizer Immobiliengesprächs war der Kongresssaal des Zürcher Restaurants vollbesetzt. Mit der Wahl des Themas „Wie Daten die Immobilienbranche verändern“ haben die Veranstalter einmal mehr einen Nerv der Branche getroffen. Mit der Digitalisierung wird das (voll-)automatische Sammeln und Verarbeiten von Informationen möglich. Das Sammeln von Daten allein sei zur Problemlösung jedoch nicht zielführend, erklärte Daniel Baur, der erste Referent des Abends. „Daten per se machen kein Unternehmen gross“, so der CEO des unter anderem auf digitale Vermietungsprozesse fokussierten PropTech-Startups eMonitor. Aus den Daten könne man Signale erkennen; doch um eine Handlung, eine Strategie daraus abzuleiten, brauche es weitere Informationen, Marktkenntnis und Knowhow. Erforderlich sei eine Auswertung, die Analyse der Daten in einem vom „User“ zu bestimmenden Kontext. „Daten lösen keine Probleme – Menschen lösen Probleme“, sagte Baur. Doch auch wenn es keine quantitativ messbaren Zielgruppen („Wie misst man die Nachfrage nach energie-effizientem Wohnraum?“) gebe, und die Immobilienbranche zudem immer für die schwer voraussehbare Zukunft baue, liessen sich mittels Datenanalysen – vorausgesetzt, die dazu genutzten Systeme sind exakt konfiguriert – die vorherrschenden Bedürfnisse auf dem Wohnungsmarkt sehr genau erfassen.
Beispielhaft erläuterte Baur dies unter anderem anhand der Produktion neuen Wohnraums: Wenn etwa Tausende Interessenten sich um eine kostengünstige Wohnung in einem Neubauprojekt einer Wohnbaugenossenschaft bemühen und nur jeder Hundertste von ihnen zum Zuge kommen könne, stelle sich die Frage: Wie kommt die Wohnung an den „richtigen“ Mieter? „Mittels einer umfassenden Datenanalyse lassen sich die Person mit der Wohnung zusammenbringen, die sie am meisten verdienen“, so Baur. Eine Maschine wähle nicht subjektiv aus, sondern wirklich objektiv: „Beim Menschen geht dieses Wissen verloren, die Software jedoch kann laufend optimiert werden. Die Optimierung läuft über ein technisches System viel effizienter als beim Menschen. Das ist ein grosser Vorteil.“
Mittels umfassender Datenanalyse -und Reporting-Funktionen könne eMonitor Mieter-und Bewerberdaten zur Verfügung stellen und übersichtliche Reportings bieten, mittels derer Investoren und Eigentümer wie beispielsweise Pensionskassen zukünftige Investitionsentscheide fällen und Verlustprojekte vermeiden können – sprich, in Zukunft genau die Projekte realisieren können, welche auch wirklich nachgefragt werden.
Die Bedürfnisse von B2B und B2C sind vereinbar
„Big Data bedeutet nicht, dass das reine Datenvolumen der relevante Faktor ist“, knüpfte Patrick Schmid an die Ausführungen seines Vorredners an. „Schlechte Daten führen zu schlechten Entscheidungen“, so der Co-CEO des Zürcher Hypotheken- und Immobiliendienstleisters Avobis. Innovationen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI oder englisch Artificial Intelligence) ermöglichten es, neues Marktpotenzial zu erkennen und zu realisieren oder auch Risiken besser einzuschätzen und zu reduzieren – und nicht zuletzt eine Effizienz- und Qualitätssteigerung.
So habe Avobis auf Basis von über 100 Datenquellen über die letzten zehn Jahre die umfassendste Immobilien- und Parzellensuchmaschine der Schweiz aufgebaut, so Schmid: „Darin ist jede Parzelle und jede Immobilie in der Schweiz, die auf einer beliebigen Plattform ausgeschrieben ist oder war, verzeichnet.“ In Kombination mit KI seien daraus auch ein Bewertungs- und Analyse-Tool sowie ein eigenes Mikrolage-Rating entstanden. „So wissen wir beispielsweise genau, welche Gebäude wo stehen, wie gut die Lage und die Steuersituation sind, welche Bauvorhaben geplant und welche Objekte zu welchen Preisen auf dem Markt sind oder waren“, sagte Schmid. Durch die so entstandene Transparenz liessen sich Markttrends besser verstehen und antizipieren – womit es Kunden ermöglicht werde, zukunftsfähige Investitionsentscheide zu treffen, um ihre Rendite zu optimieren.
Dabei könne man den Bedürfnissen von B2B wie von B2C gleichermassen gerecht werden. So liessen sich die die Interessen von professionellen Marktakteuren, beispielsweise im Wohnungsbau („hohe Rendite bei gleichzeitig überschaubarem Risiko“), mit denen der privat Wohnenden („ein schönes Zuhause zu tiefen Kosten“) durch möglichst hohe Markttransparenz in Einklang bringen – beispielsweise, in dem man erkenne und vermeide zu bauen, was der User gar nicht will.
Allerdings gebe es Grenzen, räumte Schmid ein. Mit einem KI-basierten Pricing-Tool liessen sich 0815-Wohnungen sicher gut abbilden; doch für Sonderfälle, sogenannte Edge cases, gelte dies nicht, so der Avobis-Co-CEO: „Auch bei der besten Datengrundlage – der Entscheider bleibt immer der Mensch.“
Komplexe Sachverhalte einfach darstellen
Über die Vorteile, welche die Digitalisierung für die Planung und den Bau von Immobilien, quasi über den gesamten Lebenszyklus, mit sich bringt, referierte sehr anschaulich Jelena Radovic, Head Real Estate Marketing bei der Implenia Schweiz AG. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette – angefangen bei der Akquisition geeigneter Grundstücke und Liegenschaften, über die Entwicklung, Vermarktung und Erstellung bis hin zur Bewirtschaftung – würden die Prozesse im Vergleich zu den bis noch vor nicht allzu langer Zeit gängigen Vorgehensweisen deutlich vereinfacht und beschleunigt. Zur Veranschaulichung nannte Jelena Radovic entsprechende Tools von beispielsweise Luucy, Archilyse oder Pricehubble, um nur eine Auswahl zu nennen.
Diese Tools ermöglichen unter anderem, ein geplantes Projekt mittels seines digitalen 3D-Zwillings in das jeweilige bestehende reale Umfeld zu „platzieren“ – oder auch die Gebäudegrundrisse nach zahlreichen räumlichen Qualitäten zu bewerten, was in Summe die Evaluierung von Projektvorschlägen bei einem Architekturwettbewerb sehr beschleunige. Gegenüber dem „klassischen Studienwettbewerb“ mit Architekturmodellen erlaube die Visualisierung einer Projektidee das Projekt von innen und aussen zu betrachten sowie auch die sich ergebenden Interaktionen mit bereits bestehenden Gebäuden (Lichtverhältnisse/Verschattung) zu prüfen, und ebenso sogenannte Hotspots (Schulen/Kindergarten, Einkaufsmöglichkeiten etc) einzubinden. Ferner liessen sich 3D-Visualisierungen von Projekten mit ihren über KI-Tools ermittelten voraussichtlichen Baukosten sowie mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen kombinieren. „Zur Plausibilisierung eines Projekts ist dies von hohem Vorteil“, so die Implenia-Expertin. Daten könnten Objektivität herbei führen und die Effizienz steigern – vorausgesetzt, es sei eine klare Fragestellung, strukturierte Erfassung, sinnvolle Abbildung und kontinuierliche Interpretation sowie die Akzeptanz der datengebundenen Aussagen gegeben.
Fazit des 85. Schweizer Immobiliengesprächs: Die intelligente Verknüpfung von Daten ermöglicht die Bereitstellung neuer Technologien für beispielsweise ein verbessertes Verkäufer-Käufer-Matching sowie intelligente Gebäudetechnologien, welche die Immobilienverwaltung und -Bewirtschaftung vereinfachen; ebenso sind sie Grundlage für KI-basierte Tools, welche Investoren und Projektentwicklern aufschlussreiche Analysen erlauben. Gleichwohl – und darin stimmten die Referenten überein – die Entscheidungshoheit sollte stets der Mensch behalten. Oder, wie Jelena Radovic sagte: „Am Ende ist es doch auch immer ein bisschen subjektiv.“
Das 86. Immobiliengespräch findet am 17. Mai 2022 statt.