Siedlungsentwicklung: Hochschule Luzern mit Modellvorgehen
Ein interdisziplinäres Team der Hochschule Luzern hat ein Vorgehen entwickelt, wie bestehende Siedlungen möglichst konfliktfrei baulich erweitert und verdichtet werden können.

Das revidierte Raumplanungsgesetz schreibt vor, dass Gemeinden in bereits bebautem Gebiet die Reserven ausschöpfen müssen, bevor sie neue Bauzonen ausweisen. Damit soll die weitere Zersiedelung der Landschaft eingedämmt werden. Für die Gemeinden bringe dies jedoch komplexe Herausforderungen mit sich, auf die sie oft ungenügend vorbereitet seien, heisst es in einer Medienmitteilung der Hochschule Luzern. Private und institutionelle Eigentümer hätten eigene Vorstellungen davon, was auf ihren Grundstücken und in ihrer Nachbarschaft geschehen solle. Mit einer Planung über die Köpfe der Betroffenen hinweg seien Einsprachen und Unstimmigkeiten programmiert, wenn später tatsächlich gebaut werden solle.
Die Hochschule Luzern hat deshalb in Zusammenarbeit mit der Dienststelle Raum und Wirtschaft des Kantons Luzern und dem Amt für Raumplanung des Kantons Basel-Landschaft ein Vorgehensmodell für die Quartierentwicklung innerhalb des bestehenden Siedlungsgebiets erarbeitet. Unterstützt wurde das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung 2014-18» vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE und vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW.
Mehrstufiges Verfahren
Mit einem mehrstufigen, lokalspezifischen Vorgehen soll sicher gestellt werden, dass die Erwartungen und Anliegen der verschiedenen Seiten Gehör und Eingang in die Planung finden. In acht Gemeinden wurde das Verfahren bereits erprobt. In sieben Gemeinden ist der Prozess abgeschlossen; bei allen haben die Projekte einen Schritt in Richtung Verwirklichung gemacht.
Das neue Verfahren eigne sich besonders für Quartiere, in denen zahlreiche Eigentümer – institutionelle und private – mit unterschiedlichen Interessen betroffen und daher das Konfliktpotenzial höher sei als anderswo, so die Hochschule Luzern. In den Gemeinden Schüpfheim, Ufhusen, Entlebuch, Emmen und Ballwil ging es um das Ortszentrum oder Teile davon, in Sempach und Oberwil um ein Wohnquartier. «Die Ausgangsfrage für das Projektteam hiess in allen Fällen: Wie können wir Gemeinden helfen, die das Zentrum oder ein Quartier weiterentwickeln wollen, die aber alleine zu keiner umsetzbaren Lösung kommen?», sagt Ulrike Sturm, Projektleiterin vom Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern.
Zuallererst müsse ein gängiges Missverständnis aus dem Weg geräumt werden: «Planung wird in diesem Zusammenhang oft falsch verstanden», meint Sturm. «Es geht nicht darum, dass jemand bauen muss. Es geht darum, die Möglichkeit zu schaffen, dass jemand, der bauen will, es auch tun kann, und zwar in Abstimmung mit der Gemeinde und im Einvernehmen mit den
übrigen Anwohnenden. Dies geht nur, wenn es möglich ist, sich auf ein Gesamtbild für die Entwicklung des Gebiets zu verständigen.»
„Begleitgruppe“ hat zentrale Position
Zentral im entwickelten Modellvorgehen ist eine für diesen Zweck zusammengesetzte Begleitgruppe aus Vertretern der Gemeinde – Politik und Verwaltung –, Planungsexperten und einer neutralen Prozessbegleitung; während des Modellvorhabens war dies das interdisziplinär besetzte Team der Hochschule Luzern. Die Begleitgruppe soll dafür sorgen, dass alle Beteiligten in Workshops zusammenarbeiten und lokales Wissen und Fachwissen gleichermassen eingebracht werden. Hierbei sollen auch die Anliegen und Vorschläge derjenigen gehört werden, die es weniger gewohnt sind, sich in einer grösseren Gruppe Gehör zu verschaffen, beispielsweise private Eigentümer gegenüber institutionellen. Angepasst an die jeweilige Situation legen Gemeinde und Begleitgruppe das Vorgehen fest. Am Anfang könnten telefonische Interviews mit den Grundeigentümern stehen, es könne aber auch mit einer Informationsveranstaltung zum Projekt oder einem Ideenworkshop mit der Planungskommission beginnen, heisst es bei den Projektverantwortlichen.
Für diesen aufwändigen mehrstufigen Prozess gelte es nicht nur, die Eigentümer zu gewinnen, sondern auch die involvierten Planungs- oder Architekturbüros, die sich in eine für sie ungewohnte Rolle begeben: Anders als sonst verhandeln sie nicht nur mit ihrem Auftraggeber, sondern müssen Vorschläge für direkt Betroffene erarbeiten. Sturm, selber Architektin, sieht die Aufgabe der Begleitgruppe deswegen durchaus auch darin, den Prozess so zu leiten, dass am Ende nicht zu viele Kompromisse die Qualität eines Entwurfs beeinträchtigen.
Informationen zum Gesamtprojekt und zum Vorgehen in den einzelnen Gemeinden: https://rawi.lu.ch/themen/siedlungsentwicklung/Netzwerk_Innenentwicklung