BIM: Erst digital – dann real

Kostensteigerung, Terminüberschreitung, Probleme durch nicht koordinierte Haustechnik, Nutzer unzureichend berücksichtigt – vor allem bei komplexen Bauvorhaben gibt es jeden Tag neue Negativschlagzeilen. Je grösser ein Projekt ist, je mehr Beteiligte mit unterschiedlichen Interessen und aus verschiedenen Fachdisziplinen zusammenkommen, desto schwieriger ist es zu steuern.

BIM: Erst digital - dann real
BIM: Erst digital – dann real

3D-Modelle reichen nicht aus 

Im Alltag offenbart sich die zunehmende Komplexität durch immer grössere Projektteams, konstruktive Vielfalt, mehr Spezialwissen, neue Materialien, innovative Fertigungsmethoden und höhere Ansprüche an Sicherheit, Nachhaltigkeit und Lebenszykluskosten – und die Anforderungen werden weiter steigen. Der erste Schritt, derartige Projekte in den Griff zu bekommen, ist zu erkennen: Ist das Vorhaben wirklich komplex oder vielmehr kompliziert? Denn komplizierte Vorhaben, wie zum Beispiel eine anspruchsvolle Architektur, lassen sich mit herkömmlichen Methoden gut steuern. Noch vor ein paar Jahren waren Gebäude mit einer aussergewöhnlichen Gestaltung – etwa die Doppelhelix­Form des Mercedes­ Benz­-Museums in Stuttgart oder Ge­bäude aus der Feder eine Zaha Hadid – schwierig zu berechnen. Heute lassen sich noch nie da gewesene Formen rechnergestützt darstellen. Die Steuerung wird nicht durch die Kompliziertheit eines Projektes schwieriger, sondern durch die Komplexität innerhalb der Stufen Planen, Bauen und Betreiben. In allen Stufen interagieren Prozesse und Abläufe, sie beeinflussen sich gegenseitig. Oft kommt es zu Kollisionen, etwa wenn Planer auf unterschiedlichen Planständen arbeiten oder die Gewerke nicht koordiniert sind. Die Steuerung von komplexen Bauvorhaben ist demzufolge kein geometrisches Problem, das in einem dreidimensionalen Raum abgebildet werden kann. Vielmehr spielt sich die Realisierung derartiger Vorhaben im n-dimensionalen Raum ab, ähnlich einem Netzwerk, in dem jeder Punkt mit jedem verbunden ist: Man kann nicht abschätzen, was passiert, wenn man an einem der Fäden zieht. Lineare Lösungsansätze sind aus diesem Grund zum Scheitern verurteilt, 3D-­Modelle reichen nicht aus, um die unzähligen Verknüpfungen abzubilden. Die Lösung bietet ein Building Information Modeling (BIM), das weit über die – mancherorts ebenfalls als BIM bezeichneten – 3D­-Modellierungen hinausgeht. Simulation und Workflow über alle Stufen eines Bauvorhabens hinweg sind erfolgsentscheidend, um komplexe Projekte effizient zu steuern.

Um komplexe Projekte erfolgreich abzuwickeln, muss der Betrieb von Anfang mitgedacht werden.
Um komplexe Projekte erfolgreich abzuwickeln, muss der Betrieb von Anfang mitgedacht werden.

Simulationen als Unterstützung – Build it twice!

Im Gegensatz zu anderen Industrien werden im Bauwesen immer Unikate gebaut und Fehler oftmals erst beim Bauen erkannt. BIM bietet die Chance, Schwächen bereits während der Planung aufzudecken, lange bevor der erste Bauarbeiter Hand anlegt. Dafür wird das Gebäude zunächst als digitaler Prototyp «gebaut» und verschiedene Entwurfsvarianten werden durchgespielt, die an Kosten und Termine gekoppelt sind – um mögliche Risikoquellen aufzuspüren und Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Gewerken zu reduzieren. Der spätere Betrieb wird bereits vorgedacht. Strategische Prozessmanager beraten zur Projektdefinition ebenso wie zur Festlegung von Qualitäten, Standards und Organisation. So werden etwa Personenströme in einer Cafeteria simuliert, Brand­ und Rauch­ oder auch Tageslicht­ oder Bauphysiksimulationen durchgeführt. Man kann künftige Abläufe im Gebäude darstellen: von Nutzungsszenarien bis hin zu Energieflüssen des Gebäudes und den Bau der Immobilie, angefangen vom Bauablauf bis zur detaillierten Logistik. Um Einflüsse und Folgen von Planungsänderungen darzustellen, werden rechnergestützte Simulationen genutzt. Bereits in der Zielplanung beginnt die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Fachplaner, die über die Methode BIM koordiniert und gesteuert werden. Planung und Projektkommunikation sowie Datenverwaltung finden über digitale Modelle statt. Alle Prozesse werden strukturiert und sind transparent. Frühzeitig werden ein Target Value Design erarbeitet und die Belange des Facility Managements sowie Raumbuch, Kosten und Termine mit den Planungsinhalten verknüpft. Die Konzepte können so harmonisiert, optimierte Entwurfsvarianten erstellt werden. Zudem ist sichergestellt, dass jeder mit der aktuellen Planversion arbeitet und dass Änderungen sowie deren Auswirkungen sofort sichtbar sind. Von der Prozessberatung und Zieldefinitionen über das Planen und Bauen bis hin zum Betrieb der Immobilie übernimmt ein Building­Information­Manager die übergeordnete Steuerung und Funktion. Er hat im Blick, welche Inhalte von wem zu liefern sind, wann welcher Beteiligte welche Informationen benötigt, um weiterarbeiten zu können, und wo Lücken oder Divergenzen entstehen. Die Inhalte werden aus dem Input der Fachplaner, Architekten und des Bauherrn gespeist. Im Sinne von Build it twice wird auch die Ausführungsphase inklusive der Baustellenlogistik zuerst simuliert. Anhand des virtuellen Prototyps werden Unstimmigkeiten schnell erkannt, etwa hinsichtlich der Taktung der einzelnen Bauprozesse. Auch während des realen Baus ist in Kombination mit einer tagesaktuellen Tafelplanung sofort zu erkennen, wo z.B. Material fehlt, Terminverschiebungen drohen oder Gewerke sich gegenseitig behindern. Inbetriebnahme und Abnahme werden genau eingetaktet und die für Facility­Management­ Belange erforderlichen zusätzlichen Daten frühzeitig aufbereitet.

Neue Wege der Zusammenarbeit anhand eines Modells.
Neue Wege der Zusammenarbeit anhand eines Modells.

Neue Wege der Zusammenarbeit

Der Übergang vom Zeichentisch zum CAD und im Nachgang die Implementierung der dritten Dimension war eine technische Verbesserung, die an der Art der Zusammenarbeit wenig geändert hat. Wir zeichnen weiterhin Pläne, nur dass wir diese als Datei und nicht als Papier weitergeben. Arbeiten mit BIM ermöglicht eine völlig neue Form der Zusammenarbeit: den Wechsel von der Datenlieferung hin zum Workflow. Planungsbeteiligte sind nicht auf die Lieferung von Unterlagen angewiesen, die zudem meist viele Informationen enthalten, die sie gar nicht benötigen. Vielmehr holen sie sich die für sie relevanten Informationen zur richtigen Zeit aus dem gemeinsamen Modell. Inhaltlich ist die Vorgehensweise sehr unterschiedlich. Bei einer integrativen Arbeitsweise wird ein Objekt von den beteiligten Planern gemeinsam bearbeitet. So kann ein datentechnisch erfasstes Objekt, zum Beispiel eine Aussenwand, vom Architekten mit den Anforderungen an Farbe und Oberfläche, vom Bauphysiker mit Anforderungen an den Schallschutz, vom Brandschutzexperten mit den Anforderungen an Feuerwiderstand usw. ergänzt werden. Da die Informationen dem Objekt zuordenbar sind, kann man auch überprüfen, ob sich Anforderungen gegenseitig ausschliessen. Für diese integrative Arbeitsweise muss die Verortung der Objekte eindeutig geklärt sein und die datentechnische Möglichkeit geschaffen werden, Informationen zu ergänzen. Zur Orientierung hilft das Gebäudemodell. Neben dieser datentechnischen Zusammenarbeit gibt es auch eine zweite, ganz andere Verbesserung der Planung: räumliche Nähe. Erfahrungen aus aktuellen Projekten, wie etwa dem Roche Bau 1 in Basel, zeigen, dass eine räumliche Nähe der Planer, etwa in Projektbüros, einen wesentlichen Anstieg an Planungsqualität durch verbesserten Informationsfluss erzeugt. BIM ist kein Softwareprodukt – es ist vielmehr eine Methode der Zusammenarbeit mit einem bestimmten Zweck. Damit ist BIM weniger eine technische als eine organisatorische Herausforderung. Für ein erfolgreiches BIM-­Projekt muss vor allem die Art der Zusammenarbeit definiert werden. In den deutschsprachigen Ländern steckt der Bereich BIM teilweise noch in den Kinderschuhen. Aktuelle Beispiele wie etwa die Sutter Health Gruppe in Kalifornien oder die bereits behördlich vorgegebenen BIM­Standards in Grossbritannien oder Singapur zeigen, wie diese Methodik jedoch schnell und effizient eingesetzt werden kann. Ein erstes Anzeichen, dass BIM in der Schweiz angekommen ist, war die Spurgruppe des SIA zu diesem Thema. Im Jahr 2013 Jahr wurde von buildingSMART Schweiz ein BIM­-Leitfaden für den Standort Schweiz gestartet und es gibt erste Projekte, in denen die Bauherren BIM einfordern. Die Optimierungen sprechen für sich: Es ist nicht mehr die Frage ob, sondern wann sich diese Methodik auch bei uns durchsetzt. Unabhängig davon, ob man Bauherr, Planer oder Unternehmer ist: Hierfür gilt es, sich fit zu machen.

 

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